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Die Stadt Tübingen darf keine Liste mit „auffälligen“ Asylbewerbern führen
Die Stadt Tübingen darf keine Liste mit „auffälligen“ Asylbewerbern führen 7. Oktober 2020
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg Dr. Stefan Brink (LfDI) untersagte der Stadt Tübingen die Nutzung polizeilicher Daten für eine Liste mit „auffälligen“ Asylbewerbern.
Seit eineinhalb Jahren streiten der Oberbürgermeister der Stadt Tübingen Boris Palmer und der LfDI bezüglich der Rechtmäßigkeit einer von der Stadtverwaltung geführten „Gefährderliste“. Gespeist wird die Liste mit Daten die die Polizei aufgrund ausländerrechtlicher Vorgaben an die städtische Ausländerbehörde übermittelt und die auch an die städtische Verwaltung weitergegeben werden. Nach eigenen Angaben der Stadt dient die Liste dazu, die städtischen Bediensteten und die Bevölkerung vor Übergriffen dieses Personenkreises zu schützen.
Der LfDI bewertet diesen Datenaustausch als rechtswidrig. Die betroffenen Daten unterlägen einer Zweckbindung, die nur Maßnahmen für ausländerrechtliche Zwecke umfasse. Für eine Übermittlung zu anderen Zwecken der Verwaltung bestehe demnach keine Rechtsgrundlage. Die Eintragung der personenbezogenen Daten einer betroffenen Person in die Liste erfolge außerdem, ohne dass die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht sich bereits mit dem Vorwurf befasst und diesen in einem rechtsstaatlichen Verfahren bestätigt hätten. Nach Einschätzung des LfDI würden solche „Gefährderlisten“ auf Grundlage eines bloßen Verdachts, der rechtsstaatlich nicht überprüft wurde, die Rechte ausländischer Mitbürger verletzen.
In seiner Pressemitteilung wies der LfDI außerdem darauf hin, wie mühsam sich die Klärung der gegenständlichen Frage mit der Stadt Tübingen darstellte. So würden bis heute zugesagte Akten noch fehlen. Mit der Untersagungsverfügung hat der LfDI erstmals eine Anordnung gegenüber einer Kommune erlassen.
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„Sozialarbeiter müssen wissen, wenn ihre Klienten auf die schiefe Bahn geraten“
Wenn Behörden über die kriminelle Vorgeschichte von Asylbewerbern Bescheid wüssten, werde ihre Arbeit erleichtert, sagt Boris Palmer
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hatte Polizeidaten über straffällige Asylbewerber den Sozialbehörden seiner Stadt zugänglich gemacht. Doch dann untersagte dies der Datenschutzbeauftragte. Nun fordert Palmer Bundesinnenminister Seehofer (CSU) zum Handeln auf.
Boris Palmer lässt nicht locker. Am Montag hatte der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg der Stadt Tübingen und damit dem Grünen-Oberbürgermeister Palmer verboten, polizeiliche Daten über straffällige Asylbewerber an die Sozialbehörden weiterzuleiten. Palmer will nun Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auffordern, mit einer Verordnung den Zugriff auf die Daten wieder zu ermöglichen.
Im Gespräch mit WELT argumentiert Palmer: „Sozialarbeiter müssen wissen, wenn ihre Klienten auf die schiefe Bahn geraten.“ Wenn Asylbewerber „Messerattacken oder Prügeleien zu verantworten haben und wenige Tage später“ einem Sozialarbeiter gegenübersitzen, um beispielsweise einen „Antrag auf verbesserte finanzielle Unterstützung auszufüllen“, müsse der Behördenarbeiter über die kriminelle Vorgeschichte informiert sein.
Deswegen habe Tübingen „strukturierte Informationen“ der Polizei über gewaltbereite Asylbewerber bisher nicht nur der Ausländerbehörde, sondern auch der Sozialbehörde zugänglich gemacht. Praktisch habe das so ausgesehen, dass hinter dem jeweiligen Namen die Angaben der Polizei angeführt worden seien, „sobald die Straftat, um die es geht, befürchten lässt, dass dieser Tatverdächtige Gewaltbereitschaft zeigen könnte“.
Dies habe das Vorgehen der Behörden erleichtert: Falls ein Klient beispielweise jemanden mit einem Messer bedroht habe, seien „ab diesem Moment Beratungsgespräche nur noch mit zwei Beschäftigten im Raum durchgeführt“ worden.
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